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The Retreat Diaries –
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INFO
In dem Essay, das seinem Traumtagebuch aus dem Jahre 1975 vorangestellt ist, schreibt Burroughs: „Das Tagebuch eines Rückzugs ist kein chronologisches Tagebuch. Mit chronologisch meine ich Montag mit allen Träumen und Begebenheiten, dann Dienstag und so fort. Donnerstag und Freitag können hier mit Montag montiert sein, oder die Ausarbeitung eines Traums wird mit dem Traum selbst in ein Rasternetz aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft montiert.(...) Die Struktur ist folgende: ein Mann sieht einen Film, montiert aus Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, aus Traum und Fantasie, einen Film, den der Hörer nicht direkt sehen, aber sich durch die Worte erschließen kann. Das ist die Struktur dieses Tagebuchs."
Burroughs weiht uns hier vor allem in seinen assoziativen Schreibprozess ein: ein großer Teil der Figuren und Schauplätze seiner Romane gehen auf das Material seiner Träume zurück. Kai Grehn macht in diesem Hörspiel Werkstatt und Traummaterial des Schriftstellers als eine Art Hörfilm sinnlich erfahrbar.
Autor
William Seward Burroughs wurde 1914 in St. Louis, Missouri, geboren. Er studierte in Harvard Literatur sowie einige Semester Anthropologíe. Danach schlug er sich als Kammerjäger und Barmixer, Journalist und Privatdetektiv durch, bis er 1942 seinen Militärdienst ableistete. 1943 lernt er in New York Allan Ginsberg und Jack Kerouac, die später als Autoren der Beat Generation bekannt wurden, kennen.
Diese Gruppe begehrte gegen den Main Stream auf und stellte den von ihr verworfenen Werten der Massengesellschaft eine radikale, durch Drogenmissbrauch und sexuelle Exzesse gesteigerte Individualität entgegen.
Etwa zur gleichen Zeit wurde William S. Burroughs heroinabhängig und handelte in New York selbst mit dem Rauschgift. Diese Erfahrungen verarbeitete er in dem autobiographischen Roman „Junkie".
1951 erschoss Burroughs in Mexiko-Stadt aus Versehen seine damalige Frau Joan Vollmer Adams bei dem Versuch, im Zustand der Trunkenheit die Apfelszene aus Schillers Drama Wilhelm Tell nachzustellen. Den Schock versuchte er schreibend zu verarbeiten. So entstanden die ersten Entwürfe für den Roman "Naked Lunch", der 1959 erschien und sofort in mehreren US-Bundesstaaten wegen obszöner Inhalte verboten wurde.
Nachdem er mit Hilfe von Allan Ginsberg am New York City College eine Anstellung als Dozent bekommen hatte, kam er in Kontakt mit Andy Warhol, Patti Smith, Susan Sontag, Dennis Hopper und Mick Jagger.
1971 veröffentlichte Burroughs Electronic Revolution, eine Mischung aus Fakten, Fiktion und Voraussagen über die künftigen Auswirkungen der Entwicklung der Elektronik auf die Gesellschaft.
In den 1980er und 1990er Jahren wurde Burroughs zu einer Ikone der Popkultur. Eine Reihe von populären Künstlern, vor allem aus der New Yorker Szene, nannten Burroughs als wichtige Inspiration. 1990 entstand aus der Zusammenarbeit mit dem Regisseur Robert Wilson und dem Musiker Tom Waits das Theaterstück „The Black Rider", das in Hamburg 1990 uraufgeführt und in den folgenden Jahren an vielen europäischen und US-amerikanischen Bühnen gespielt wurde.
Während dieser Jahre trat Burroughs zudem als Spoken Word Performer auf, der mit seiner tiefen Stimme und langsamen, programmatischen Sätzen ein altes und neues Publikum erreichte.
1983 wurde Burroughs in die American Academy of Arts and Letters aufgenommen.
Seinen Lebensabend verbrachte er in Lawrence, Kansas, wo er an einem Methadon-Programm teilnahm. 1997 starb er im Alter von 83 Jahren in seinem Haus an den Folgen eines Herzinfarkts.
Kai Grehn, geboren 1969, studierte an der Berliner Schauspielschule „Ernst Busch" Regie. Er lebt und arbeitet in Berlin und Drochow als freier Autor, Übersetzer (u.a. „Salomé" von Nick Cave, „The Marriage of Heaven and Hell" von William Blake) und Theater- bzw. Hörspiel-Regisseur. Er erhielt zahlreiche Stipendien und Preise, darunter den Internationalen Hörfunkpreis „Prix Marulíc" (2001 und 2005).
Reviews
„Ein Text, in seiner Kälte und seiner radikal wuchernden Vorstellungswelt nur schwer erträglich - das war "Naked Lunch", in den Fünfzigern verfasst von William S. Burroughs. Er hatte Traum- und Rauschbilder, Realität und Fiktion wild gemixt. Ein literarischer "Wild Boy", wie man in Anlehnung an ein späteres Buch ("Wild Boy") sagen möchte, einer, der jede Ordnung, jede Herrschaftsform unterläuft. Wie nun einen seiner Texte in ein Hörspiel verpacken? Kai Grehn hat eine Antwort darauf gegeben, hat sich aber an ein leichter zugängliches Werk bemacht: die "Retreat Diaries", notiert von Burroughs in einer Zeit, in der er nach Vermont in die Eremitage ging.
"Wörter sind Schmerztöter, genau wie Drogen." - "Ich benutze Meditationstechniken, um Material für mein Schreiben zu erlangen, irgendeine Erleuchtung interessiert mich nicht." - Selbstbetrachtung auf seine Arbeit bezogen ist dies, das Einflechten von Traumsequenzen, die Burroughs' Lebens- und Schreibweise erklären, elektronische Beeps aus der Intensivstation, bedrohlich und klinisch kalt, suggestive Trancemusik, den Rausch simulierend. Ein Delirium ohne Vorher und Nachher, bei dem jedes Wort, jeder Ton einen Aspekt des Schriftstellers ausleuchtet. Kai Grehn macht dessen Universum verständlich, indem er es am Leben erhält, und erweist sich dabei als brillianter Übersetzer, der die Möglichkeiten des Hörspiels maßvoll zu nutzen weiß."
(Hans-Joachim Graubner, Stuttgarter Zeitung, 04.08.03)
„Kein chronologisches Tagebuch hat William S. Burroughs angelegt, keines, das sich getreulich durch die Tage wühlte. So dass die Woche niemals durcheinander gerät. Burroughs' "Retreat Diaries" sind Traumtagebücher, Protokolle von Bewusstseinsströmen, die den Montag mit dem Freitag, den Mittwoch mit dem Sonntag kombinieren. Und so verwundert es nicht, dass sich in diesen Werken auch Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft unablässig miteinander vermischen und eine zeitenthobene Zeitmelange ergeben.
Das Interesse von Hörspielautoren an dieser Art des Schreibens scheint groß zu sein. Burroughs' Montagen, seine harten Schnitte zwischen den Gedanken, die er zu Papier bringt, und den Zeitschichten, die er nebeneinander lagert, entspricht dem akustischen Medium auf kongeniale Weise - auch das Hörspiel kann seine Zuhörer per scharfem Schnitt durch Szenen und Gedanken zappen: Schon der Bayerische Rundfunk nahm sich vor einiger Zeit der Tagebücher Burroughs' an, nun folgt der Südwestrundfunk mit einer weiteren Inszenierung der "Retreat Diaries", die der Regisseur Kai Grehn unternahm.
Grehn folgt der Traumstruktur, den wilden Assoziationen des Autors, der sich im Jahr 1982 nach seinen New Yorker Jahren in eine Art Einsiedlerei in Lawrence, Kansas, begab. Figuren, Begebenheiten wie der Tod Francos 1975, Drogenerfahrungen und Meditationsbeschreibungen bettet er in einen Soundtrack, der wie ein halluzinogen entfesseltes Radioprogramm wirkt. Flamenco -Akkorde rasseln hinüber in wirre Soap-Operas, Jazzpartikel schwirren umher, Rock 'n' Roll tönt auf: so wie Burroughs durch die Jahre driftet, lässt sich Grehn von dessen Sounds treiben. Entrückt, mit schwerer Zunge liest Hans-Peter Hallwachs dazu aus den Tagebüchern eines Rückzugs, der keineswegs ein Rückzug aus der Welt ist. Wir folgen vielmehr einem Schriftsteller in die Welt seines eigenen Kopfes, in dem ein Film abläuft, der im Radio hörbar wird."
(Frank Olert, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 29.07.03)
„Das Hörspiel ist ein Versuch, Werkstatt und Traummaterial des Schriftstellers sinnlich erfahrbar zu machen. Burroughs' Überlegungen zum unbewussten Schreiben, zur „Auslöschung der Wörter" als Möglichkeit freier Assoziation und Dichtung, finden im Hörspiel ihre musikalische Entsprechung: es sind nicht nur die Wörter, die erzählen, Geräusche und Musik fördern das Unbewusste - die Sprache der Träume - zu Tage. Die Hörräume wollen die Semantik der Wörter nicht illustrieren, sondern als eigenständiges Element eine weitere Deutungsebene eröffnen - dem Gesetz entsprechend, dass die Traumstimmung nicht mit der Traumhandlung korrespondieren muss."
(Morgana, Leipzig)
„ ‚Tagebuch eines Rückzugs" basiert auf William S. Burroughs´ ‚ The Retreat Diaries', dem Traumtagebuch von 1974. Konzipiert als ein Art Hörfilm ist es so schräg wie Burroughs. Keine leichte, aber coole Kost."
(Rolling Stone, Dezember 05)
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